Ganz stolz und doch schüchtern lächelnd hält der 14-jährige Amir Abdullahi seine Medaille in die Kamera und strahlt. Sie ist eine Trophäe – für Amirs Ringer-Können, aber auch für eine Integration, die gelingt.
Villingen-Schwenningen. Amir ist leidenschaftlicher Ringer. Und Flüchtling. Seine Heimat ist Afghanistan. Dort hörte er die Bomben fallen, spürte die Detonationen. „Meine Mutter hatte Angst“, erzählt Amir im Gespräch mit unserer Redaktion. Weil sie befürchtete, ihr Sohn könne in eine der Kriegsexplosionen geraten, musste Amir aufhören mit dem Training in Afghanistan.
Erst der Krieg, dann die Flucht – über die Türkei suchte Amirs Familie den Weg nach Deutschland. In der Türkei wurden sie voneinander getrennt. Amir, sein jüngerer Bruder Mohammad und Mutter Halime kamen weiter nach Deutschland, strandeten schließlich im Sommer letzten Jahres in Villingen. Vater Yasin und Schwester Samira hingegen schafften das nicht. Die Trennung nagte an der Familie – ein neues Land, andere Sitten und Bräuche. Und die nächsten Verwandten so weit weg.
Doch Amir fand einen Halt: seine Begeisterung für das Ringen. Diese Leidenschaft pflegte er nicht nur in Afghanistan, wo der Sport einen immensen Stellenwert hat, ähnlich wie hierzulande das Fußballspielen. Er ging auch während zwei Jahren im Iran dem Ringen nach. In Villingen angekommen, war Amirs Freude groß, als er erfuhr, dass es hier mit dem AC Germania einen Verein für das Ringen gibt. Ein Flüchtlingshelfer ebnete Amir den Weg in den Verein, wo er mit offenen Armen empfangen worden sei.
„Als ich zum ersten Mal dort war, konnte ich mit den Jugendlichen dort noch gar nicht sprechen“, erinnert sich Amir heute, etwa ein halbes Jahr später – in gepflegtem, ganz fein artikuliertem Deutsch. Der Trainer der Ringer-Jugend, Rainer Kuner, aber auch der Trainer der Aktiven, Theodoros Moissidis, und alle anderen im Verein hätten sich super um ihn gekümmert. Dafür ist Amir dankbar und drückt das so aus: „Ich danke meinen beiden Trainern, sie haben mir geholfen“ – und das längst nicht nur, indem sie gemeinsam mit ihm an seiner Technik beim Ringen arbeiteten. Sie besorgten ihm ein Fahrrad, mit dem er zum Training radeln kann – das leider in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nebst vielen anderen Fahrrädern vor der Flüchtlingsunterkunft in der Freiburger Straße von Unbekannten, vermutlich mit Hilfe eines Transporters oder Fahrzeuganhängers gestohlen worden sei. Und: „Sie helfen mir beim Deutsch Lernen“, sagt Amir, denn ab und an müsse er schon noch nachfragen, wie die richtige Bezeichnung für etwas ist oder ob er ein Wort auch richtig ausspreche.
Familie vereint: Gestern fand wieder zusammen, was zusammen gehört
Auch Mama Halime übt sich zaghaft in der deutschen Sprache. Sie bedankt sich lächelnd für den Besuch bei ihr zu Hause, in einer Flüchtlingsunterkunft, und bietet ihrem Besuch die sorgfältig und viel zu üppig vorbereiteten Leckereien, Obst und Tee an. Gelebte Gastfreundschaft. Als wolle sie ein bisschen Gastfreundschaft zurückgeben.
In ihren Augen flammt Stolz auf, als der Sohnemann seine beiden Urkunden, eine Medaille und den kleinen Pokal zeigt. In Hornberg, beim 24. internationalen Ringer-Turnier der Stadt Hornberg, holte er den Sieg in der B-Jugend für den AC Villingen, in Triberg beim achten Internationalen Wasserfall-Turnier den dritten Platz in der Jugend, Gewichtsklasse bis 63 Kilogramm. „Ich habe sehr großes Interesse an der Sportart Ringen“, beteuert der 14-Jährige. Längst trainiert er dreimal wöchentlich, sowohl beim Nachwuchs als auch bei den Aktiven des AC Villingen.
„Er wird unseren Kader richtig gut verstärken“, ist sich sein Trainer Theo Moissidis sicher. Und in der Tat kann sich sein afghanischer Schützling bald ganz unbeschwert und voller Zuversicht ganz auf die nun beginnende Schulzeit in der Goldenbühlschule und seinen Lieblingssport, das Ringen, konzentrieren: Gestern war Familienzusammenführung. Vater Yasin und Schwester Samira haben es endlich auch nach Villingen geschafft, und der Asylantrag sei durch: „Wir dürfen bleiben, für immer!“
Von Cornelia Spitz
Foto: Spitz Foto: Schwarzwälder-Bote